Bibliotheken
Für den Praxisteil meiner Diplomarbeit im Rahmen der Meisterklasse an der LIK Akademie Wien habe ich mich mit der dokumentarischen Darstellung von Bibliotheken in Österreich befasst. Von Mai bis September 2019 entstand eine Bildserie über den Lesesaal des Museums für Angewandte Kunst Wien, die Bibliothek des Museums für Moderne Kunst Stiftung Ludwig Wien, die Stiftsbilbliotheken Lilienfeld, Kremsmünster und Admont, die Wienbibliothek im Rathaus, die Niederösterreichische Landesbibliothek, die Österreichische Nationalbibliothek und die Universitätsbibliothek Krems. 
Voraussetzungen
Mein wahrhaftiges und aufrichtiges Interesse am Thema hat seine Wurzeln in der Zeit meines Studiums, welches ich zum größten Teil in der Bibliothek der Technischen Universität Wien, dem Lesesaal des Museums für Angewandte Kunst Wien und dem Lesesaal der Medizinischen Universität Wien verbrachte. Als Orte der Freiheit und des Friedens nahm ich sie wahr, denn Bibliotheken dienen der menschlichen Begegnung, dem Wissenserwerb und dem Austausch. Sie sind für jedermann geöffnet, unabhängig von Vermögen, Herkunft oder sozialem Status. Wer sich in einer dieser Oasen der Ruhe dem eigenen Wissenserwerb widmet, vollzieht einen Akt der Freiheit. Wer einander in einem dieser Tempel des Wissens zum Austausch begegnet, handelt friedlich. 
Untersuchenswert finde ich einerseits den Wandel der Bibliothek im Laufe der Zeit. Sehr eindrucksvoll offenbaren sich die barocken Stiftsbibliotheken als Kathedralen des Wissens, und sie lassen erahnen, wie sich Wissen, Geist und Macht an diesen Orten einst konzentrierten. Heute bestaunen wir sie als Museumsbibliotheken, während unsere andere Bibliotheken nach wie vor im Sinne der Wissensarchivierung und -vermittlung dienen. Der Bücherspeicher der Österreichischen Nationalbibliothek überwältigt die Besucher:in ob seiner überdimensionalen Ausmaße. Zugleich drängt sich die Überlegung auf, ob man das gesamte dort gesammelte Wissen in digitaler Form wohl auf zwei oder drei Festplatten unterbrächte. 
Anderseits sind Bibliotheken formal-fotografisch interessant. Während die Symmetrie eines barocken Bibliothekssaals durch ihr unfassbares Ausmaß beeindruckt, erfreut der Lesesaal des Museums für Angewandte Kunst in Wien durch Reduktion und Klarheit. Unzählige sich wiederholende Strukturen, vielseitige formale und inhaltliche Kontraste und die Spuren zeitlicher Entwicklung, welche sich im einen oder anderen Lesesaal finden, bilden ein großes fotografisches Potenzial.
Ästhetik
Bei den entstandenen Bildern über Bibliotheken handelt es sich um Schwarz-Weiß-Fotografien. Einerseits werden solche oft als sachlicher und seriöser als Farbfotografien empfunden. Sie gelten als prädestiniert dafür, einen Sachverhalt möglichst objektiv darzustellen. Durch die Entsättigung findet eine Abstraktion statt, welche den Eindruck erweckt, dass die Bilder aus einer gewissen Distanz entstanden. Andererseits ermöglicht die Abwesenheit von Farbe dem Betrachter, sich auf abgebildete Formen und Strukturen zu konzentrieren. 
In Anlehnung an das Werk von Bernd und Hilla Becher verzichten auch meine Bilder auf Abbildungen von Menschen, um den Fokus des Betrachters auf die abgebildeten Bibliotheken zu lenken. Dabei ist mein Ziel, in den Fotografien eine „abwesende Anwesenheit“ zu schaffen, bei welcher sich die Existenz von Menschen in den Bildern zumeist erahnen lässt. 
Sämtliche Fotos entstanden mit dem Anspruch hoher Präzision. Dabei habe ich auf die Vermeidung etwaiger perspektivischer Verzerrungen und auf durchgängige Bildschärfe geachtet. Auf eine Abbildung extremer Lichtverhältnisse und irritierender Schatten habe ich verzichtet, um die dargestellten Bibliotheken klar und unverfälscht darzustellen. 
Objektivität und dokumentarischer Anspruch
Durch eine möglichst normierte Aufnahmeweise ist es mein Ziel, ein Höchstmaß an Objektivität sicherzustellen. Es handelt sich zumeist um Frontalansichten in Zentralperspektive, welche einen Vergleich der Bibliotheken zueinander ermöglichen. Gleichartige Abbildungen von Lesesälen, Bücherregalen und Arbeitsplätzen legen einen Vergleich durch die Betrachter:in nahe.
Auf Retusche im Sinne von inhaltlicher Reduktion oder Ergänzung habe ich strikt verzichtet. Wenngleich eine Minimalretusche zur Entfernung kleinerer störender Elemente wie Sensorflecken sehr wohl stattfand, wurde bewusst darauf verzichtet, vermeintliche Unzulänglichkeiten baulicher Natur, wie beispielsweise sichtbare Mauerkorrekturen im Bild „Universitätsbibliothek Wien I“, zu beseitigen. Im Sinne des Becher‘schen Werks ist es auch mein Ziel, dass sich die abgebildeten Räume bzw. Objekte so darstellen, wie sie tatsächlich sind. 
Die Bilder sollen dokumentieren, nicht werten. Die Bibliotheken erzählen ihre Geschichten von selbst und jegliche Interpretation durch meine Person möchte ich vermeiden. Aus diesem Grund sind auch die Bildtitel jeweils auf den Namen der Bibliothek und eine laufende Katalognummer reduziert. 
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